Geschichten aus’m Hochhaus – der Aufzug
Es ist schon ein bisschen anders als früher mit so 10 Wohnungen im Haus. Hier sind es 16 pro Stockwerk, und deren 8. Anfangs musste musste ich mich jedenfalls erstmal dran gewöhnen, noch den langen Gang entlang zu gehen. Nein, nicht weil er lang ist, eher weil einem jedes mal klar wird dass es hier doch so einige mehr sind.
Dafür gibt’s jetzt einen Aufzug! Yay! Alle die es sonst immer nur unter Stöhnen bis zu mir in den 3. Stock geschafft haben, dürfen sich nun freuen, in den 4. Stock gebracht zu werden. Ok, also bis in den 3,5. Stock. Die Architekten seinerzeit hatten da merkwürdige Ideen, oder Sparansätze. Der Aufzug hält nämlich nur jedes 2. Stockwerk, besser gesagt in der Mitte zwischen zweien. Ein Umstand den auch die Möbelpacker beim Einzug mit einem freudigen „Auch du Scheiße, nochmal Stufen!“ quittiert hatten. Hat man aber keine Waschmaschine am Rücken, sollte das allerdings durchaus machbar sein 😉
Und damit man nicht zur sehr in täglichen Stress verfällt, hat der Aufzug eine besondere Zusatzfunktion: Er entschleunigt das Leben aller die ihn nutzen (müssen). Das bedeutet, dass man grundsätzlich 2 Minuten warten muss bis er kommt. Das macht sich dann durch ein äußerst zaghaftes Geräusch bemerkbar. Nachts kann man dabei noch beobachten wie sich der Schlitz zwischen den Türen langsam mit Licht füllt. Die letzten Zentimeter werden dabei besonders sorgfältig (also langsam) bewältigt.
Das Öffnen der Türen ist in und für sich genommen schon ein grandiose Meisterwerk der Geduldsförderung. Man kann eigentlich nicht anders als mit der Hand nachhelfen zu wollen. Sollte man aber nicht! dann dauert’s womöglich noch länger. Sind die Türen mal offen, kann man ja auch schon in die gesamte Edelstahlpracht einsteigen. Schnell ist der Knopf für das Stockwerk gedrückt. Schnell ist der Knopf für das Türe-schliessen gedrückt. Laaaangsam, folgt die Tür dem eiligen Entschluss.
Interessanterweise ist die Zeit bis sich die Tür schließt indirekt proportional zur Anzahl der Gegenstände die man transportieren möchte. Allein die Sensorik für diese Eigenschaft übersteigt die Komplexität einer Mondfahrt. Und die ist ja auch schneller als die gemächliche Fahrt von Erdgeschoss ins Geschoss 3,5. Ob Menschen wirklich im 8. Stock ankommen ist bisher noch nicht nachgewiesen worden.
Während der Fahrt kann man allerdings immer ein Gespräch zum Thema Aufzug anfangen. Beziehungsweise muss man nicht wie sonst alleine vor sich hin leiden. Verschiedene Theorien und Erzählungen über mögliche Veränderungen werden ausgetauscht. Gerne auch mal Frust & Wut über die, die wohl dafür verantwortlich sind. Zumindest für ein bisschen kann man damit die Zeit totschlagen, bis letztendlich wieder die Resignation gewinnt.
Letztendlich alles vergebene Mühe. Der einzig richtige Weg ist das Problem zur Lösung zu machen. Seit Jahren möchte ich mal Zeit zum ruhigen Meditieren haben, hier ist sie! Embrace the Entschleunigung!
Erste Schritte in die Richtung hab ich bereits geschafft. In den ersten Wochen hatte ich mich noch immer Bereit gemacht den Aufzug zu verlassen, sobald klar war dass wir im richtigen Stockwerk sind. Inzwischen bin ich schlauer und lehne mich nochmal zurück. Denn bis die Türen auf sind ist ja noch etwas Zeit sich auszuruhen und Kraft zu sammeln.
Kraft für das letzte 0,5te Stockwerk.