Kontinentaldurchquerung
Es ist wieder soweit, wir beginnen unsere Kontinentaldurchquerung um nach Hause in ein Stück Wüste zu fahren. Direkt nach der Arbeit noch die letzten Sachen einpacken und dann nichts wie los. Aber haben wir auch alles eingepackt? Das Auto ist voll, der Anhänger ist voll, die Wohnungen mehr oder weniger leer. Eigentlich können wir doch gar nichts vergessen haben. 1km nach Abfahrt, alles da. 10km nach Abfahrt, immer noch alles da. 100km nach Abfahrt, es ist wirklich alles da. 200km nach Abfahrt, erstaunlich das wir nichts vergessen haben. 356,23km nach Abfahrt, shit! Hast du meinen Schlafsack gesehen?! Och menno, doch wieder was wichtiges vergessen.
Schlafsack hin oder her, nachdem wir die französische Grenze überquert hatten und es langsam spät wurde, kam eh erstmal nur ein Motel oder ähnliches in Betracht. Voller Stolz über die modernen Möglichkeiten der mobilen Hotelsuche mit Handy haben wir zielsicher einen kleinen Ort 200km vor Lyon angesteuert. Runter von der Autobahn, an zwei Hotels vorbei zu unserem auserwählten Budgethotel. Rezeption als Automat, mehrsprachig. Technologie die verzaubert, muss man doch so nachts um kurz vor 1h nicht mehr akrobatische Verständigungsübungen machen. Die Menüführung kam dann auch relativ schnell zum Ziel: Deutsch -> Einchecken -> Ohne Reservierung -> Wir haben leider kein Zimmer für Sie. Oops, und das bei leerem Parkplatz? Naja, dann halt zu den anderen beiden, an denen wir gerade erst vorbeigekommen sind. Alle mit Automaten, alle mit ähnlicher Fragefolge. Und leider auch alle mir der gleichen Antwort. :/
Da sind sie dann dahin. All die Lobpreisungen über moderne Technologie und so. Die hilft halt auch nicht weiter wenn man zu spät kommt. Aber immerhin etwas gelernt für den Rest der Fahrt. Erst das Hotel buchen, dann auf’s Bett freuen. Der erste Versuch auf dem Weg hat dann auch noch zum Erfolg geführt und wir sind in einem Budgetbudget Hotel untergekommen. 30€ für 2 Personen ist besser als im Auto zu schlafen, und mehr als zwei Betten und ein Waschbecken waren auch nicht dabei.
Kaum 7 Stunden später ging’s dann auch schon wieder weiter. So weit wie möglich wollten wir kommen, und es musste noch das komplette Proviant für die kommenden 8 Tage in der Wüste besorgt werden. Der fehlende Schlafsack hat uns dann dankenswerterweise sogar noch geholfen. Weil die Suche nach einem Outdoorladen uns in ein Industriegebiet mit Decathlon und riesigem Carrefour gebracht hat. Etwas Fastfood als Stärkung, 2 Stunden Shopping, 28 Liter Wasser, 20x Coke und Sevenup, Fleisch für die erste Hälfte, Pasta für die zweite Hälfte, Snacks, Knabbereien, etwas Obst, Bacon, Eier, Kissen und ein Schlafsack später ging’s dann auch wieder auf die Straße. Shopping war in Lyon, so 200km hatten wir schon, 800km lagen noch vor uns.
Während diverser Staus und unzähligen Kilometern haben wir noch die Programmierung für unsere LED-Wall fertig gestellt. So verging die Zeit wie im Flug und unerwartet produktiv. Immer wieder zwischendurch musste ich mir die Frage stellen ob ich nicht auch was vergessen hatte? Luke hat seinen fehlenden Schlafsack durch einen neuen und kleineren ersetzt. Aber hab ich wirklich nichts vergessen? Aber jede Vermutung endete mit einer Erleichterung – es war alles da. Trauen wollte ich der Sache aber nicht so ganz.
Ich finde ja den Teil nach Montpellier bis zur spanischen Grenze als einer der langweiligsten Strecken auf dem Weg da runter. Gerade letztes Jahr waren wir zuvor die Mittelmeerküste lang gefahren und dann ist das ewige flache Geradeaus am Meer aber ohne Meerblick echt träge. Erst wenn sich die Pyrenäen am Horizont langsam in die Höhe strecken wird es wieder interessanter. Und just in diesem Moment kam in mir wieder eine Frage auf. Hab ich den Rasierer eingepackt? Ganz langsam die ganze Packorgie im Kopf durchgehen. Ich hatte noch vor dem losfahren.. Hmm.. Und dann auch in den Koffer? Hmm… In weiß es nicht mehr. Die Erleichterung wollte einfach nicht kommen und die Kilometer bis zum nächsten Tankstop wurden langsam zur Qual. Die Pyrenäen hoch, über die Grenze, endlich abwechslungsreiche Landschaft, aber gerade kein Auge dafür. Ich mag nunmal keine Barthaare und aus diversen Gründen wär das jetz echt beschissen wenn das Ding zu Hause liegt. Also beim Tankstop direkt hinter zum Kofferraum. Koffer raus. Koffer auf. Rumkruschen. Und dann tadaa, da isses ja. Doch nichts vergessen. Also wieder einpacken und alles gut. Alles gut? Hmm.. War er auch aufgeladen? Nochmal hinter, nochmal auf, nochmal kruschen, nochmal finden und neeeeein, das Scheißding ist fast leer. Und nein, es liegt keine Ladekabel dabei. und es ist kein Standardkabel, sondern ein ichbinsospecial-Braun-tm-Kabel. HMPF! Also doch was vergessen, Samstags nach 20h, nächster Werktag in der Zivilisation erst in 9 Tagen. Och menno, nicht mal Ersatz besorgen klappt. Und mit nem Einweg von der Tanke sich das Gesicht zerreißen ist nun auch nicht die Lösung.
Etwas Frust meinerseits sind wir erstmal weitergefahren. Vorbei an den Hügeln über Barcelona Richtung Lleida, dort wo unser Hotel liegen sollte. Nach einer Marathonfahrt von 1040km an einem Tag sind wir nachts um 1h ins Hotel eingecheckt. Diesmal brav reserviert, und weils der letzte Tag vor einer Woche Staub war, auch mal nicht komplett Budget, sondern schön mit Bad und Dusche. Angekommen das erste kühle Bierchen um den Teil mit dem Urlaub mal einzuleuten. Am nächsten morgen nochmal schön Duschen, nochmal WC mit Wasser, nochmal leckeres Frühstücksbüffet und dann ab in Richtung Nowhere.
Direkt neben dem Hotel war ein Mediamarkt, mit leerem Parkplatz, und während ich uns ausgecheckt hab, hat Luke dort im Auto auf mich gewartet. Eingestiegen, losgefahren und »Der Mediamarkt hat übrigens offen«. Wie offen? Es ist Sonntag? Das ganze – und ich meine das ganze – Internet hat gesagt das in Spanien Sonntags die Läden zu haben? Ich hab Stunden damit zugebracht das rauszufinden. Und dann machen die einfach auf? Da muss ich rein, mein Rasiererproblem lösen. Und er war tatsächlich auf. Riesengroß, 1 Kassierin, 1 Securitydame und eine am Infoschalter. Sonst niemand in Sicht. Es wär als hätten sie nur für mich aufgemacht. Und ich bin so zu einem inzwischen mehr als unerwartetem Happy End gekommen 🙂 So kann es relaxt in die Wüste gehen.
Kaum ein Stündchen später haben wir dann die befestigte Straße bei Sarinena verlassen und uns langsam Richtung Home vorgetastet. Die vertrauten Felder links und rechts, den »Fluss« überqueren und dann die letzten Kilometer durch den Staub bis an den Hängen eine temporäre Siedlung auszumachen ist. Einige Zelte, ein paar Tippis, die Theme Camps, Middle of Nowhere, alles war schon aus der Ferne zu erkennen. Und am Gate angekommen gab es endlich den ersten staubigen Burnerhug. Hach, wie haben wir das vermisst 🙂